Scam Empire: Die Welt der Crypto Callcenter Betrüger in Georgien

Diamanten, Designer-Kleidung und Luxusreisen nach Dubai – so präsentieren sich die sogenannten „Skameri“ aus Tbilisi, Georgien, in den sozialen Medien. Hinter dieser Fassade verbirgt sich jedoch eine brutale Realität: Diese jungen, mehrsprachigen Georgier betreiben in einem unauffälligen Callcenter eine weltweite Betrugsmaschinerie, die Tausende von Opfern um Millionen Dollar gebracht hat. Dank einer beispiellosen Datenpanne und einer sechsmonatigen Investigation des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und seiner Partner, darunter Sveriges Television (SVT), können wir nun Licht in diese dunkle Welt bringen.

Ein globales Netzwerk des Betrugs

Das „Scam Empire“ ist das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit von über 30 Medienhäusern, die auf Basis eines Datenlecks von 1,9 Terabyte interne Dokumente, Chats und Finanzdaten analysiert haben. Diese Daten enthüllen zwei Callcenter-Gruppen in Israel, Osteuropa und Georgien, die weltweit mindestens 32.000 Menschen um über 275 Millionen US-Dollar betrogen haben. Die Quelle des Leaks, die anonym bleiben möchte, nannte die scheinbare Straffreiheit der Betrüger als Motiv: „Betrüger operieren fast offen, ohne dass jemand sie stoppt. Die Schwierigkeiten bei der grenzüberschreitenden Ermittlung machen es fast unmöglich, diese Verbrechen aufzuklären.“

In Tbilisi, der Hauptstadt Georgiens, liegt das Herz einer dieser Operationen: die A.K. Group, ein als Telemarketing-Firma registriertes Unternehmen, das von einer 36-jährigen Georgierin namens Meri Shotadze geführt wird. Zwischen Mai 2022 und Februar 2025 ergaunerte eine Gruppe von etwa 85 Mitarbeitern rund 35,3 Millionen US-Dollar von über 6.100 Opfern weltweit. Ihre Methoden: gefälschte Pässe, Pseudonyme wie „Mary Roberts“ oder „Anthony Adams“ und eine ausgeklügelte Täuschung, die ihre Opfer glauben liess, sie würden in Kryptowährungen investieren.

Die Skameri: Jung, gebildet, skrupellos

Die Mitarbeiter der A.K. Group sind keine typischen Kriminellen. Es handelt sich um junge, universitätserfahrene Georgier, die mehrere Sprachen sprechen und nach sozialem Aufstieg streben. In ihren internen Chats nennen sie sich selbst „Skameri“ – ein Begriff, der ihren Stolz auf ihre betrügerischen Fähigkeiten widerspiegelt. Ihre Arbeitsumgebung ähnelt der eines modernen Tech-Startups: Büros mit freiliegenden Ziegelwänden und Metallakzenten, Leistungstabellen, monatliche Boni und Preise wie iPhones oder BMWs für die besten „Verkäufer“. Doch der Kern ihrer Tätigkeit ist düster: Ihre Leistungsbeurteilungen basieren darauf, wie gut sie lügen können, und ihre Vorgesetzten kritisieren sie, wenn sie ihre Opfer nicht aggressiv genug unter Druck setzen.

Ein besonders erschütterndes Beispiel ist Marcel Deschamps, ein kanadischer Fabrikarbeiter, der von einer Betrügerin namens „Mary Roberts“ um seine Ersparnisse gebracht wurde. Mary, die in Wirklichkeit Mariam Charchian heisst, nutzte gefälschte Fotos einer ukrainischen Influencerin und erfand eine rührselige Geschichte als alleinerziehende Mutter, um Marcels Vertrauen zu gewinnen. Als er ihre Täuschung durchschaute und sie mit der Polizei drohte, lachte sie ihn aus: „Du wirst nie meinen echten Pass finden. Du bist verdammt dumm.“ Doch genau dieser Hochmut führte zu ihrer Enttarnung – Mariam hatte ihren echten Pass auf Instagram gepostet.

Die Struktur der A.K. Group

Die A.K. Group ist in zwei Hauptteams unterteilt: ein „Conversion-Team“, das neue Opfer über Online-Anzeigen anlockt, und ein „Retention-Team“, das darauf spezialisiert ist, möglichst viel Geld aus den Opfern herauszupressen. Letzteres ist in regionale Sub-Teams unterteilt, die sich auf deutsch-, spanisch-, russisch- oder englischsprachige Märkte konzentrieren. Das englischsprachige Team war mit über 15,6 Millionen US-Dollar im letzten Jahr das lukrativste.

An der Spitze steht Meri Shotadze, die unter dem Pseudonym „Kseniya Koen“ als harte Managerin agiert. Sie fordert von ihren Teams tägliche Umsatzziele, wie etwa 30.000 US-Dollar pro Tag, und kontrolliert die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter. Hinter den Kulissen wird die Operation jedoch von Akaki Kevkhishvili geleitet, einem 33-jährigen Georgier, der als „Boss“ bezeichnet wird und dessen Initialen vermutlich den Firmennamen inspirierten. Kevkhishvili, der sich in Chats mit einem Löwen-Avatar mit Krone präsentiert, verfügt über private Sicherheitskräfte und fährt Luxusautos wie Range Rover, Rolls-Royce und Lamborghini. Seine Mutter erwarb kürzlich Immobilien im Wert von über 740.000 US-Dollar, ohne nachvollziehbare Einkommensquellen.

Die Firma selbst hält ein niedriges Profil. Ihre Büros in der Kavtaradze- und Shartava-Strasse in Tbilisi sind über Strohmänner gemietet, darunter ein obdachloser Mann aus Abchasien und seine 71-jährige Schwiegermutter. Dennoch gelang es den Journalisten, die Identität der A.K. Group durch einen entscheidenden Hinweis zu bestätigen: Fotos von einer Firmenfeier 2023, die automatisch online gestellt wurden, zeigten Mitarbeiter in festlicher Kleidung vor einem riesigen „A.K. Group-Logo“.

Die Opfer: Geschichten von Verlust und Verzweiflung

Die menschlichen Kosten dieser Betrügereien sind immens. Marcel Deschamps, eines der prominentesten Opfer, verlor nicht nur seine Ersparnisse, sondern auch sein Vertrauen. Nachdem er von mehreren Betrügern der A.K. Group getäuscht wurde, war er finanziell ruiniert und sprach in einem Telefonat mit Mariam von Selbstmordgedanken. Ihre Antwort war kalt: „Nur zu, bring dich um.“ Solche Interaktionen zeigen die Skrupellosigkeit der Skameri, die ihre Opfer als blosse Mittel zum Zweck betrachten.

Die internen Chats der A.K. Group enthüllen eine Kultur der Feier nach jedem „Verkauf“. Mitarbeiter posten GIFs von Leonardo DiCaprio aus „The Wolf of Wall Street“ oder Champagnergläsern, während sie ihre Opfer weiter unter Druck setzen. Gleichzeitig klagen sie über ihren stressigen Alltag – ein paradoxes Bild, das sie als normale Büroangestellte erscheinen lässt, die jedoch ein kriminelles Doppelleben führen.

Der Fall der Skameri

Die Enttarnung der A.K. Group begann mit ihren eigenen Fehlern. Die Skameri waren so überzeugt von ihrer Anonymität, dass sie sorglos persönliche Informationen in Chats und auf Social Media teilten. Mariam und ihre Schwester Veriko Charchian, alias „Veronika Nowak“, posteten Fotos von Luxusreisen nach Dubai, Paris und Griechenland, die mit ihren internen Chats übereinstimmten. Diese digitalen Brotkrumen ermöglichten es den Journalisten, ihre wahren Identitäten zu enthüllen.

Nachdem OCCRP und Partner im Februar 2025 Anfragen an die A.K. Group und ihre Führungskräfte schickten, begannen die Skameri, ihre Spuren zu verwischen. Meri Shotadze löschte Social-Media-Beiträge, deaktivierte ihren Telegram-Account und verkaufte Immobilien. Andere Mitarbeiter wie Lana Vakhtangadze und Takhir Sultanovi schlossen ihre Facebook-Konten. Doch die Beweise sind gesichert, und georgische Staatsanwälte prüfen nun mögliche strafrechtliche Schritte.

Scam Empire: Die Welt der Crypto Callcenter Betrüger in Georgien

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen