Die Schweizer Regierung plant mit der Bundesrats-App eine neue Plattform, um die Bevölkerung direkt über ihre Entscheidungen zu informieren. Während die Idee, Bürgerinnen und Bürger besser einzubinden und Desinformation entgegenzuwirken, auf den ersten Blick positiv klingt, birgt die App erhebliche Gefahren – insbesondere im Bereich Datenschutz, Manipulation und Vertrauensverlust.
Was ist die Bundesrats-App?
Die Bundesrats-App, deren Realisierung von der Bundeskanzlei unter Viktor Rossi vorangetrieben wird, soll eine unabhängige Plattform sein, die Bürgerinnen und Bürger direkt über Entscheidungen des Bundesrates informiert. Laut Medienberichten 20min.ch, 25. Juni 2025 soll die App personalisierte Inhalte bieten, die auf die Interessen der Nutzer zugeschnitten sind, und Informationen wie Regierungsentscheide, Verordnungsänderungen oder aktuelle Daten bereitstellen. Ziel soll es sein, unabhängig von kommerziellen Plattformen zu agieren und Desinformationskampagnen entgegenzuwirken. Offizielle Details auf admin.ch fehlen jedoch, was Spekulationen über den tatsächlichen Umfang und die Funktionalität der App nährt.
Die App wird als Teil der digitalen Transformation des Bundes gesehen, ähnlich wie frühere Projekte wie die Abstimmungs-App „VoteInfo“. Doch gerade die Personalisierung und die direkte Kommunikation werfen Fragen auf: Wie sicher sind die Daten der Nutzer? Besteht die Gefahr einer Manipulation? Und kann der Bund die technischen und ethischen Herausforderungen meistern, angesichts früherer IT-Pannen?
Warum ist die Bundesrats-App so gefährlich?
Die Bundesrats-App birgt mehrere Risiken, die über reine technische Herausforderungen hinausgehen. Sie könnte das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen weiter untergraben, da die Skepsis gegenüber E-Government-Diensten ohnehin gross ist. Die wichtigsten Gefahren sind:
Datenschutz und Überwachung: Die Personalisierung der App erfordert die Erhebung von Nutzerdaten, was potenziell zu einer Überwachung der Interessen und Verhaltensweisen der Bürger führt. Ohne klare Datenschutzmassnahmen könnte dies die Privatsphäre gefährden.
Manipulation durch selektive Informationen: Eine App, die vom Staat kontrolliert wird, könnte gezielt Informationen auswählen oder weglassen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Historische Beispiele wie die umstrittenen Kostenangaben zum F-35-Kampfflugzeug zeigen, dass Regierungsinformationen nicht immer transparent sind.
Vertrauensverlust durch technische Mängel: Frühere IT-Projekte des Bundes, wie die Covid-App, waren von Pannen geprägt, die das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert haben. Ähnliche Probleme könnten die Akzeptanz der Bundesrats-App gefährden.
Desinformationsrisiko durch staatliche Kontrolle: Während die App Desinformation bekämpfen soll, besteht die Gefahr, dass sie selbst als Werkzeug zur Verbreitung staatlich gefilterter Narrative genutzt wird, was das Vertrauen in unabhängige Medien weiter schwächen könnte.
Welche Datenschutzbedenken gibt es?
Die Datenschutzbedenken rund um die Bundesrats-App sind vielfältig und basieren auf dem Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG), das seit September 2023 gilt. Die folgenden Punkte beleuchten die zentralen Risiken:
Datenerhebung und Personalisierung
Die App soll personalisierte Inhalte liefern, was die Erhebung von Daten wie Interessen, Standort oder Nutzerverhalten erfordert. Das DSG verlangt, dass Datenerhebung auf das „notwendige Mass“ beschränkt bleibt (Art. 6 DSG). Es ist jedoch unklar, welche Daten genau gesammelt werden und ob diese für die Funktion der App erforderlich sind. Übermässige Datenerhebung könnte als unverhältnismässig eingestuft werden und die Privatsphäre der Nutzer verletzen.
Zustimmung und Transparenz
Nutzer müssen aktiv über die Verarbeitung ihrer Daten informiert werden und ihre Zustimmung geben (Art. 18 DSG). Unklare oder vage Zustimmungserklärungen könnten dazu führen, dass Nutzer unwissentlich sensible Daten preisgeben. Die Bundeskanzlei müsste sicherstellen, dass die Datenschutzrichtlinien klar und leicht verständlich sind, um Vertrauen zu schaffen. Vetraut den überhaupt noch jemand unseren Bundesbehörden?
Datensicherheit
Die Sicherheit der Nutzerdaten ist ein kritischer Punkt, da Cyberangriffe auf staatliche Plattformen zunehmen. Eine Studie von Deloitte (2020) zeigt, dass zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung Datenschutz- und Sicherheitsbedenken bei E-Government-Diensten haben. Die App muss robuste Sicherheitsmassnahmen wie Verschlüsselung und Zugriffskontrollen implementieren, um Datenlecks zu minimieren.
Nutzerrechte
Das DSG gewährt Nutzern Rechte wie Einsicht, Berichtigung und Löschung ihrer Daten (Art. 25–27 DSG). Die App müsste einen einfachen Mechanismus bieten, um diese Rechte auszuüben. Ohne klare Prozesse könnten Nutzer frustriert werden, was das Vertrauen weiter mindert, sofern das überhaupt noch möglich ist.
Profiling und Datenübermittlung
Die Personalisierung könnte als Profiling eingestuft werden, was eine Datenschutzfolgenabschätzung erfordert (Art. 34 DSG). Falls Daten an Drittanbieter (z. B. für Hosting) übermittelt werden, müssen strenge Regeln für internationale Datenübermittlungen eingehalten werden (Art. 31 DSG). Unzureichende Sicherheitsmassnahmen werden die Daten gefährden.
Mangelnde Transparenz
Ohne offizielle Details zur App (Stand 28. Juni 2025, admin.ch) bleibt unklar, wie die Datenschutzmassnahmen umgesetzt werden. Diese Intransparenz wird die Skepsis der Bevölkerung verstärken, insbesondere angesichts vergangener Bundes- und IT-Pannen.
Historische Beispiele von Fehlleistungen im Bereich IT durch den Bund
Die Geschichte zeigt, dass der Bund bei IT-Projekten immer wieder mit Problemen zu kämpfen hatte, die das Vertrauen in neue Initiativen wie die Bundesrats-App untergraben:
SwissCovid-App (2020): Die SwissCovid-App, die zur Kontaktverfolgung während der Pandemie entwickelt wurde, war von technischen Problemen geplagt. Nutzer berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausstellung von Genesenenzertifikaten, da Daten angeblich verloren gingen. Dies führte zu Frustration und Misstrauen gegenüber staatlichen IT-Lösungen.
E-Voting-Systeme: Versuche, elektronische Wahlsysteme einzuführen, wurden wiederholt wegen Sicherheitslücken und mangelnder Transparenz gestoppt. 2019 stellte die Post ihr E-Voting-System ein, nachdem Schwachstellen entdeckt wurden, die die Integrität von Wahlen hätten gefährden können admin.ch, E-Voting.
IT-Probleme bei der Steuerverwaltung: Die Einführung digitaler Steuerplattformen war von technischen Fehlern und Verzögerungen begleitet, was die Akzeptanz von E-Government-Diensten weiter schwächte. Nutzer klagten über unzuverlässige Systeme und mangelnde Unterstützung.
F-35-Kontroverse: Zwar kein reines IT-Projekt, doch die Kommunikation rund um die Kosten des F-35-Kampfflugzeugs zeigt, wie der Bund durch ungenaue oder irreführende Informationen das Vertrauen verspielt. Solche Vorfälle nähren die Sorge, dass die Bundesrats-App selektiv Informationen präsentieren könnte.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Bund in der Vergangenheit Schwierigkeiten hatte, komplexe IT-Projekte sicher und vertrauensvoll umzusetzen. Die Bundesrats-App steht somit vor der Herausforderung, diese Geschichte zu überwinden, woran wir nicht glauben.
Hinweis: Eine Informationsanfrage gemäss Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung (BGÖ) zu den Anforderungsspezifikationen und Projektdokumenten der Bundesrats-App geht am Montag, 30. Juni per Einschreiben an die Bundeskanzlei hinaus.