Schweizer Stablecoins: Regulierung, Tracking, Datenschutz und Finanzstabilität

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat einen Expertenbericht veröffentlicht, der Chancen und Risiken der Stablecoin-Emission durch Schweizer Banken analysiert. Er beleuchtet technische, rechtliche und ökonomische Aspekte einer Schweizer-Franken-Stablecoin, diskutiert Anwendungsfälle und zeigt auf, welche regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen FINMA-regulierte Institute erfüllen müssten.

SBVg-Expertenbericht zu Stablecoins

Der SBVg-Bericht „Stablecoins in der Schweiz – Eine Auslegeordnung zu Chancen und Risiken der Herausgabe von Stablecoins durch Schweizer Banken“ gibt eine umfassende Übersicht zu:

  • Technischen Grundlagen von Stablecoins und ihrer Rollen im Zahlungssystem.
  • Vier Konzeptionen je nach Deckung („fiat-backed“, „HQLA-backed“, „crypto-backed“, „algo-backed“).
  • Strategischer Relevanz eines Schweizer-Franken-Stablecoins für grenzüberschreitende Zahlungen.
  • Möglichen Ertrags- und Einsatzszenarien sowie Gefahren für Banken­­– insbesondere Disintermediation und Geldpolitik-Effekt. Er betont, dass nur privat emittierte Stablecoins mit erstklassiger Deckung und Aufsicht Vertrauen schaffen können.

Regulatorische Massnahmen für FINMA-regulierte Emittenten

FINMA hat mit ihrer Guidance 06/2024 spezifische Anforderungen für die Herausgabe von Stablecoins festgelegt:

  • Banklizenz oder FinTech-Bewilligung: Stablecoin-Emittenten, deren Rückzahlung und Verzinsung garantiert wird, benötigen eine Banklizenz oder dürfen allenfalls unter strikten Ausnahmeregeln eine FinTech-Lizenz nutzen.
  • Mindestanforderungen an Ausfallgarantien: Banken, die Garantien übernehmen, müssen sicherstellen, dass im Konkursfall jede Kundin und jeder Kunde eigene Forderungen gegen die Bank hat, die Deckung aller Publikumseinlagen gewährleistet ist und die Garantie „unkompliziert und schnell“ einlösbar ist.
  • Anti-Geldwäschereivorschriften (GwG): Emittenten gelten als Finanzintermediäre. Sie müssen alle Stablecoin-Halter per KYC identifizieren, wirtschaftlich Berechtigte feststellen und Transaktionen überwachen.
  • Europäische Vorgaben: Im Juli 2024 tratt MiCA in Kraft, das europaweit E-Money Tokens (EMT) und Asset-Referenced Tokens (ART) regelt – eine Richtschnur für künftige Anpassungen in der Schweiz.

Nachverfolgbarkeit und Tracking

  • On-Chain-Monitoring: Jede Transaktion wird in der Blockchain protokolliert. Analytics-Tools (Chain-Explorer, Forensik-Software) ermöglichen Echtzeit-Überwachung.
  • Travel Rule: Wie bei SWIFT müssen Emittenten Absender- und Empfängerdaten bei Transaktionen übermitteln.
  • Regulatorischer Zugriff: FINMA und Geldwäschereibehörden erhalten direkten Einblick in Transaktionsdaten, um Missbrauch zu verhindern.
  • Technische Protokolle: Smart Contracts und Oracles erlauben automatisches Setzen von Alarmen bei Verdachtsfällen.

Vor- und Nachteile für Nutzer

  • Vorteile
    • Schnelle, kostengünstige P2P-Zahlungen
    • Wertstabilität gegenüber volatilen Kryptowährungen
    • Programmierbare Zahlungen (Smart Contracts)
    • Effizient im internationalen Zahlungsverkehr
  • Nachteile
    • Vollständiges Tracking aller Zahlungen
    • Strenge KYC-/AML-Hürden für jede Wallet-Adresse
    • Central-Server-Risiken bei Multisig-Reserven
    • Hacker-Risiko bei Smart-Contract-Lücken
    • Temporäre Transaktionslimits (z.B. bei Runs)

Datenschutz und Anonymisierung

Obwohl Stablecoin-Transaktionen transparent sind, fordert FINMA eine vollständige Identifikation aller Nutzer. Konzepte wie Zero-Knowledge-Proofs (ZKP) könnten nur partiell Abhilfe schaffen. Ein Ansatz ist die Trennung von On-Chain-Daten und Off-Chain-Identity-Resolvern, bei dem nur bei rechtlichem Anlass de-anonymisiert wird. Die Balance zwischen Privatsphäre und regulatorischer Compliance bleibt eine der zentralen Herausforderungen.

Implikationen für Geldpolitik und Finanzstabilität

  • Disintermediation: Kunden verschieben Bankeinlagen in Stablecoins, was die Refinanzierungskosten der Banken erhöhen und das Kreditvolumen senken kann.
  • Fristentransformation: Die Umstellung zu „Narrow Banking“ schwächt die Fristentransformation und kann die Wirksamkeit der SNB-Geldpolitik beeinträchtigen.
  • Marktverzerrungen: Eine grosse Nachfrage nach HQLA als Stablecoin-Deckung könnte Zinsmärkte in CHF verschieben.
  • Geldtransmission: Eine Substitution von Einlagen durch Stablecoins erschwert die Zinssteuerung und erfordert Anpassungen bei Refinanzierungs- und Einlagefazilitäten.

Transparenz und Kontrolle im Zahlungsverkehr schafft den gläsernen Bürger

Stablecoins unter FINMA-Aufsicht führen zu nie dagewesener Nachvollziehbarkeit aller Geldflüsse. Jede Zahlung wird dokumentiert, überwacht und auf Wunsch der Aufsichtseinheit de-anonymisiert. Die angestrebte „No-Questions-Asked“-Akzeptanz wandelt sich so in umfassende Kontrollpflicht für alle Zahlungs-​ und Abwicklungsbeteiligten.

Der gläserne Bürger wird schneller Realität als gedacht

Ein Swiss Franc Stablecoin unter FINMA-Aufsicht könnte grenzüberschreitende Zahlungen revolutionieren. Gleichzeitig wird jeder Schritt der Nutzer akribisch erfasst und reguliert. Die Abwägung zwischen Innovation und Privatsphäre entscheidet darüber, wie schnell wir in eine Welt des gläsernen Bürgers eintreten.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, teilen Sie ihn gerne in Ihren Netzwerken – vielen Dank!

Schweizer Stablecoins: Regulierung, Tracking, Datenschutz und Finanzstabilität

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen