Am 30. Juni 2025 stellte ein Bürger aus der Schweiz einen detaillierten Antrag gemäss dem Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung BGÖ an die Bundeskanzlei. Ziel war es, Einsicht in sämtliche Dokumente zur Entwicklung, Umsetzung und Wartung der Bundesrats-App (auch bekannt als Bundesrat News-App) zu erhalten. Die Anfrage umfasste Anforderungsspezifikationen, Projektpläne, technische Dokumentationen, finanzielle Unterlagen und mehr. Doch statt Transparenz zu gewähren, lehnte die Bundeskanzlei den Antrag pauschal ab – ein Vorgang, der Fragen zur Einhaltung des Öffentlichkeitsprinzips aufwirft.
Der Antrag: Ein berechtigtes Interesse an Transparenz
Die Anfrage war umfassend und klar strukturiert. Der Antragsteller forderte Dokumente in sieben Kategorien, darunter:
- Anforderungsspezifikationen: Funktionale und technische Vorgaben, User Stories und Designkonzepte.
- Projektmanagement-Dokumente: Pläne, Meilensteine und Risikoanalysen.
- Technische Dokumentation: Architekturdiagramme, Datenmodelle und Testpläne.
- Finanzielle Unterlagen: Budgets, Verträge und Ausschreibungen.
- Kommunikations- und Marketingunterlagen: Strategien zur Nutzerakquise.
- Wartungs- und Supportdokumente: Pläne für Updates und Fehlerbehebung.
- Evaluierungsberichte: Statistiken zur Nutzung und Nutzerfeedback.
Der Antrag berief sich auf das BGÖ, das den Zugang zu amtlichen Dokumenten grundsätzlich garantiert. Der Antragsteller bat um elektronische Bereitstellung und eine Begründung bei eventuellen Einschränkungen gemäss Artikel 7 oder 8 BGÖ. Die Frist von 20 Tagen für die Bundeskanzlei zur Bearbeitung war klar vorgegeben Art. 10 BGÖ.
Die Ablehnung: Pauschal und ohne Begründung
Am 7. Juli 2025 antwortete die Bundeskanzlei mit einer kurzen Stellungnahme. Sie bestätigte den Eingang des Gesuchs, lehnte es jedoch mit Verweis auf Artikel 8 Absatz 2 BGÖ ab. Begründung: Die Dokumente seien Teil eines laufenden Beschaffungsverfahrens und könnten erst nach Zuschlagserteilung freigegeben werden. Weitere Details oder eine Interessenabwägung fehlten.
Diese pauschale Ablehnung wirft mehrere Fragen auf:
- Fehlende Interessenabwägung: Artikel 7 BGÖ verlangt eine dokumentenspezifische Prüfung und eine nachvollziehbare Begründung für Einschränkungen. Diese blieb aus.
- Unklare Anwendung von Artikel 8: Der Artikel schützt Unterlagen in Mitberichts- oder Mitentscheidverfahren, aber nicht automatisch alle projektbezogenen Dokumente wie technische Spezifikationen oder Evaluierungsberichte.
- Verletzung der Unterstützungspflicht: Gemäss Artikel 3 der Verordnung über das Öffentlichkeitsgesetz (VBGÖ) hätte die Bundeskanzlei den Antragsteller bei der Eingrenzung des Antrags unterstützen müssen.
Die Reaktion: Schlichtungsgesuch beim EDÖB
Angesichts der unzureichenden Begründung reicht der Antragsteller heute am 8. Juli 2025 ein Schlichtungsgesuch beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten EDÖB ein. Das Gesuch kritisiert die Ablehnung als rechtswidrig und fordert:
- Die Feststellung, dass die Ablehnung gegen das BGÖ verstösst.
- Die Herausgabe der nicht schutzwürdigen Dokumente oder deren Publikation auf simap.ch.
- Eine Empfehlung zur Verbesserung der Transparenzpraktiken der Bundeskanzlei.
Der EDÖB hat nun 60 Tage Zeit, die Schlichtung abzuschliessen. Das Verfahren ist für den Antragsteller gemäss § 35 des Datenschutzgesetzes (DSG) kostenfrei.
Missstände in der Verwaltung: Ein Musterfall für mangelnde Transparenz
Dieser Fall ist symptomatisch für grössere Probleme in der Schweizer Verwaltung:
- Pauschale Ablehnungen: Statt individueller Prüfungen greifen Behörden oft zu generischen Begründungen, um Anfragen abzulehnen. Dies untergräbt das Öffentlichkeitsprinzip.
- Fehlende Proaktivität: Die Bundeskanzlei hätte gemäss VBGÖ aktiv unterstützen müssen, etwa durch Vorschläge zur Eingrenzung des Antrags. Stattdessen wurde die Anfrage komplett zurückgewiesen.
- Verzögerungstaktik: Durch den Verweis auf ein noch laufendes Beschaffungsverfahren wird der Zugang zu Informationen unnötig verzögert. Dies widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
- Mangelnde Sensibilität für Transparenz: Projekte wie die Bundesrats-App, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden, sollten von Anfang an transparent dokumentiert und zugänglich sein.
Die Bundesrats-App, die Bürger über die Arbeit des Bundesrates informieren soll, steht exemplarisch für die Notwendigkeit von Offenheit. Wenn selbst hier Transparenz verweigert wird, stellt sich die Frage, wie ernst die Verwaltung ihre Verpflichtungen nimmt.
Ein Kampf für mehr Offenheit
Der Fall zeigt, wie schwer es Bürgern gemacht wird, ihr Recht auf Einsicht in amtliche Dokumente wahrzunehmen. Die pauschale Ablehnung der Bundeskanzlei ist nicht nur ein Verstoss gegen das BGÖ, sondern auch ein Schlag gegen die demokratische Transparenz. Das Schlichtungsgesuch beim EDÖB bietet nun die Chance, die Bundeskanzlei zur Rechenschaft zu ziehen und die Herausgabe der Dokumente durchzusetzen.
Dieser Vorfall sollte ein Weckruf für die Verwaltung sein: Transparenz ist kein Hindernis, sondern eine Voraussetzung für das Vertrauen der Bürger in den Staat. Es bleibt zu hoffen, dass der EDÖB klare Vorgaben macht und die Bundeskanzlei ihre Praktiken überdenkt.
Haben Sie ähnliche Erfahrungen mit Behörden gemacht? Teilen Sie Ihre Meinung in den Kommentaren oder informieren Sie sich weiter über Ihre Rechte unter den oben verlinkten Ressourcen.