Zwischen Komfort und Kontrolle – Was die eID über Ihr Leben verrät

Die digitale Transformation des Staatswesens schreitet voran. Im Zentrum der aktuellen politischen Debatte in der Schweiz steht die Einführung einer elektronischen Identität – kurz eID. Diese soll es Bürgerinnen und Bürgern künftig ermöglichen, sich eindeutig im digitalen Raum auszuweisen. Behördenkontakte, Bankgeschäfte oder medizinische Anliegen könnten so effizienter abgewickelt werden.

Doch hinter der vielversprechenden Oberfläche verbirgt sich ein komplexes Netz aus technischen, ethischen und gesellschaftlichen Fragen. Wie sicher sind die gespeicherten Daten? Wer hat Zugriff auf persönliche Informationen? Und wie lässt sich verhindern, dass die eID zur Grundlage einer staatlichen Überwachungsinfrastruktur wird?

Der digitale Identitätsausweis ist weit mehr ist als ein technisches Werkzeug – nämlich ein potenzieller Wendepunkt im Verhältnis zwischen Staat und Bevölkerung.

Funktionsweise und Struktur der eID

Die eID ist ein digitaler Identitätsnachweis, der auf verschlüsselten personenbezogenen Daten basiert. Sie soll es erlauben, dass sich Bürgerinnen und Bürger online eindeutig und verlässlich ausweisen können.

Abhängig von der Umsetzung kann die Datenverwaltung zentral durch den Staat erfolgen oder über zertifizierte Drittanbieter – etwa Banken oder Technologiekonzerne. Die Herausforderung liegt in der Architektur dieser Systeme:

  • Wo werden die Daten gespeichert?
  • Welche Sicherheitsprotokolle sind vorgesehen?
  • Wie wird die Missbrauchsgefahr durch unbefugte Zugriffe minimiert?

Diese Fragen sind nicht rein technisch, sondern grundlegend demokratisch, denn sie betreffen die informationelle Selbstbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger.

Die umfassende Sammlung personenbezogener Daten

Die eID erfordert die Zusammenführung zahlreicher Informationen – darunter Name, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer, Wohnort, sowie häufig verwendete Kommunikationsdaten. In manchen Anwendungen könnten darüber hinaus Gesundheitsinformationen, Steuerdaten oder Nutzungsverhalten hinzukommen.

Die Bündelung dieser Daten in einem digitalen Identifikator schafft ein nahezu vollständiges digitales Abbild der jeweiligen Person.

Stellen Sie sich vor, Ihre eID wird für die Anmeldung bei Ihrem Krankenversicherer verwendet. Durch technische Schnittstellen erhält das Unternehmen Einblick in Ihre Diagnosehistorie, frühere Behandlungen und Medikationsdaten. Ein automatisiertes System bewertet Ihr Risiko und hebt Ihre Prämien – ohne menschliche Prüfung, allein aufgrund algorithmischer Kriterien.

Diese Entwicklung ist nicht hypothetisch: ähnliche Prozesse existieren bereits bei Bonitätsprüfungen, Risikoprofilen und Scoring-Systemen in Finanz- und Versicherungsbranchen.

Intransparente Zugriffsrechte und Kontrolllücken

Ein weiteres Kernproblem betrifft die Steuerung der Zugriffsrechte auf die gespeicherten Daten. Bürgerinnen und Bürger wissen oft nicht im Detail, wer wann auf welche Informationen zugreift – oder ob diese weitergeleitet oder verknüpft werden.

Die fehlende Transparenz kann gravierende Folgen haben. Wenn Behörden etwa Bewegungsprofile erstellen, medizinische Daten einsehen oder politische Aktivitäten analysieren, wird das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bevölkerung empfindlich gestört.

Beispiel: Ein politisch engagierter Bürger nimmt an einer friedlichen Demonstration teil. Auf dem Weg dorthin kauft er ein ÖV-Ticket über eine App, die mit seiner eID verknüpft ist. Seine Standortdaten und Identität können dadurch theoretisch einem Bewegungsprofil zugeordnet werden. Einige Wochen später erhält er ein behördliches Schreiben mit einem Hinweis auf seine Teilnahme – obwohl er keinerlei Gesetz verletzt hat.

Solche Szenarien sind technisch umsetzbar, auch wenn sie nicht gesetzlich vorgesehen sind. Sie zeigen, wie eng digitale Identität und staatliche Kontrolle miteinander verwoben sein können.

Potenzial zur flächendeckenden Überwachung

In Ländern wie China zeigt sich bereits, wie digitale Identitätsnachweise mit sozialen Bewertungssystemen kombiniert werden können. Durch die Verknüpfung von Zahlungsdaten, GPS-Informationen und digitaler Kommunikation entsteht ein umfassendes Kontrollinstrument, das Verhalten regulieren kann.

Auch in westlichen Demokratien sind solche Entwicklungen nicht auszuschliessen, besonders wenn Sicherheitsbedenken politische Schnellschüsse begünstigen oder Kontrollmechanismen unzureichend ausgestaltet sind.

In einem deutschen Klinikverbund wurde eine eID-Anwendung eingeführt, die versehentlich psychiatrische Diagnosen offenlegte. Die Daten waren durch eine Fehlkonfiguration öffentlich einsehbar, was für die Betroffenen erhebliche soziale und berufliche Konsequenzen hatte.

Der Vorfall wurde erst nach mehreren Wochen entdeckt – zu spät für viele der Betroffenen, deren Informationen bereits verbreitet waren.

Zugangsbeschränkung und digitale Ausgrenzung

Ein wesentliches Argument für die eID ist ihre Freiwilligkeit. Doch de facto entsteht eine digitale Pflicht: Wer künftig auf öffentliche Dienstleistungen oder medizinische Versorgung zugreifen möchte, wird ohne eID kaum zurechtkommen.

Dies betrifft insbesondere folgende Personengruppen:

  • Menschen ohne Smartphone oder mit veralteten Geräten
  • Ältere Menschen, die digitale Dienste nicht nutzen
  • Menschen mit Behinderungen, deren Assistenzsoftware nicht kompatibel ist
  • Sozial benachteiligte Gruppen mit eingeschränktem digitalen Zugang

Noch ein Beispiel: Ein Rentner lebt in einer ländlichen Gemeinde, in der das physische Gemeindeamt geschlossen wurde. Für eine Steuererklärung muss er online ein Formular ausfüllen und sich mit eID authentifizieren. Ohne Smartphone und technische Kenntnisse wird er mehrfach abgewiesen. Die Hilfe seiner Familie kann er nicht in Anspruch nehmen, da die Anmeldung an seine persönliche eID gebunden ist.

Solche Beispiele zeigen, dass sich mit der eID nicht nur neue Möglichkeiten eröffnen – sondern auch neue Hürden entstehen, welche nach Bundesverfassung verboten sind.

Vermeintliche Vorteile der eID

Die Einführung der eID ist ein bedeutender Schritt in der digitalen Transformation des Staates. Sie bietet angeblich viele Vorteile – schnellere Prozesse, bequemere Kommunikation, effizientere Verwaltung.

Doch gerade weil sie so tief in das Verhältnis zwischen Bürgerin und Staat eingreift, muss ihre Umsetzung kritisch hinterfragt werden.

Die bevorstehende Abstimmung ist eine Gelegenheit, über diese Fragen nachzudenken – und eine informierte Entscheidung zu treffen, die das Gleichgewicht zwischen Komfort und Kontrolle neu austariert. Wir empfehlen ihnen, ein Nein in die Urne zu werfen.

Wenn Sie diesen Beitrag wichtig finden, teilen Sie ihn in den sozialen Medien und sprechen Sie mit Familie und Freunden darüber. Eine informierte Gesellschaft beginnt mit dem Gespräch.

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